Ganz große Oper: 1. D siegt gegen Scala
Die 1. D Deerns von Trainer Jay Wiese erspielten sich den ersten Sieg der Herbstsaison. 2:1 hieß es nach einer umkämpften Begegnung gegen starke Mädels von Scala. Bevor wir aber ins Geschehen einsteigen, ein paar Gedanken zum Spielbetrieb…
Die Sommerferien sind kaum vorbei, da winken hinten schon die Herbstferien. In der kurzen Zeit dazwischen könnte man als Altonaer Deern ein bisschen sesshaft werden, sollte man meinen. Zwischen Schulhof und Jugendzimmer pendeln, sich mit Dingen wie Diktat, Vokabeltest und Mathearbeit beschäftigen. Und zur Erholung, juchheißa, auf dem Bolzplatz um die Ecke Fußball spielen. Wenn, ja wenn denn da um die Ecke noch ein Bolzplatz wäre. Wie sich herausstellt, muss man sich jetzt mitunter zu sehr weit entfernten Ecken aufmachen, um Fußball zu spielen. Zu Ecken, die so weit entfernt liegen, dass man dafür sogar die Autobahn überqueren muss. Oder den halben Weg in die Hamburger Innenstadt zurücklegt. Ja, das Wort Heimspiel bedeutet auch nicht mehr das Gleiche wie früher. Damals, in einer längst vergangenen Zeit, also vor den Sommerferien. An den Wochenenden sieht man nun vielerorts junge Menschen in Rot-Weiß-Schwarz auf ihren Fahrrädern durch Hamburgs Westen irren, wobei dieser „Westen“ schon im Dunstkreis des Kaltenkircher Platzes anfängt, dazu oft mit einem Elternteil vorwegfahrend, dieses natürlich einhändig, weil gleichzeitig Google-Maps auf dem Handy studierend. Die schöne Fußballfan-Aktivität „Ground-Hopping“, sie sorgt jetzt auch beim Sport-Nachwuchs für vermehrtes Reisen in die Ferne. Wer Ground-Hopping nicht kennt: Einige Fußballfans, meist halberwachsene Jungs, machen sich einen Spaß daraus, so viele verschiedene Fußballplätze (= Grounds) zu besuchen (= Hopping), wie das Taschengeld bzw. das Gehalt bzw. die Mutter bzw. die Ehefrau erlaubt. Sie reisen deshalb in den Norden Islands oder den Süden Italiens, um dort Fußball der örtlichen siebten Liga zu sehen. Bei Altona 93 nun hat sich in den vergangenen Wochen eine neue Variante des Ground-Hoppings etabliert: Grand-Hopping. Ziel dabei ist es, möglichst viele staubige Grand-Plätze innerhalb weniger Wochen zu besuchen.
Nehmen wir als Beispiel die 1. D Deerns von Trainer Jay Wiese. Nachdem nun also auf dem guten, alten Heim-Grandplatz am Trenknerweg Wohnungen entstehen… Ach, an dieser Stelle sei mal kurz aus dem Bebauungsplan der sogenannten „Wohnhöfe Trenknerweg“ des beauftragten Architekturbüros zitiert: „30 Stadthäuser und 4 Stadtvillen mit 10 Geschosswohnungen gruppieren sich um 2 Wohnhöfe mit großzügigen Wasserflächen“. Ja, liebe Leserinnen und Leser, von Grand zu Grandeur. Das ist in etwa zu vergleichen mit jener Verwandlung, die der biestige Drache Frau Mahlzahn hin zum Goldenen Drachen der Weisheit in „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ vollzieht. Wer will da jetzt noch eine Grundsatzdebatte zur Hamburger Stadtplanung von der Hecke brechen? Über die sozial-sozio-physio-philosophisch-gesellschaftliche Bedeutung des Bolzplatzes für eine glückliche Kindheit lamentieren? Wer will denn dem Trenkner-Staub und der maroden Bewässerungsanlage des Sportplatzes nachweinen, wenn da jetzt Stadtvillen-Bewohner mit den Füßen in großzügigen Wasserflächen plantschen… Aber wo waren wir? Also, Trenker-Grand ist nicht mehr. Dafür wird jetzt trainiert auf Asche an der Wichmannstraße weit jenseits der A7, „Heimspiele“ finden wahlweise statt auf einem von zwei Grandplätzen an der Memellandallee (da muss man die Karte auf Google-Maps weit, weit nach links wischen…) oder auf dem roten Rasen neben der Loki-Schmidt-Grundschule am Othmarscher Mühlenweg.
So, und da wären wir nun, sorry für den langen Anlauf, beim aktuellen Geschehen. Am vergangenen Sonntag spielten die 1. D Deerns auf eben jenem Grandplatz am Othmarscher Mühlenweg gegen Scala. Und wer sich in eventuell eher hochkulturell denn fußballerisch orientierten Elternkreisen nun fragt, warum das Opernhaus von Mailand eine Mädchenfußballabteilung unterhält: Bitte diesen Beitrag ganz bis zum Ende lesen. Beziehungsweise, wie es jetzt auf Internetdeutsch heißt: Bis ganz nach unten scrollen, und zwar bis diese Worte erscheinen: „Unnützes Wissen zum Angeben.“
Aber soweit sind wir jetzt ja noch nicht. Scala, das ist natürlich die charmante Abkürzung des SC Alstertal-Langenhorn aus Hamburgs Norden, ein Verein, der traditionell starke Mädchenmannschaften ins Rennen schickt. Wie würden sich Jays 1. D Deerns behaupten? Man hatte nach den Ferien ein erfolgreiches Trainingslager am Westensee absolviert, inklusive Konditions-Triathlon (Fahrrad-Anreise, Schwimmen im kalten – „kreisch!!!“ – See sowie natürlich Laufen mit Ball).
Dennoch waren die ersten beiden Saisonspiele auswärts gegen bestens ausgebildete HSV-Mädels (3:4 unterlegen) und heimwärts (nun, „memellandalleewärts“, um genau zu sein) gegen starke ETV-Mädels (1:2) jeweils nach früher Führung nur knapp und mehr als unglücklich verloren worden. Würden also die dramatischen Schlussminuten beider Spiele verdaut sein?
Bei schönster Septembersonne laufen am Sonntagmittag für Altona auf: Ana-Luisa, Ella J., Ella M., Emilia, Juli, Lina, Louise, Luna, Mila, Maj, Tale. Flügelstürmerin Lily muss kurzfristig verletzt passen, ebenso Mittelfeld-Motor Luna P. und Abwehr-Ass Ella W. – gute Besserung an alle! Neu-Zugang Eliza ist beim Verwandten-Besuch. Trainer Wiese kann wieder auf eine erfahrene Stammkraft im Tor zählen: Ella M. ist nach Klassenreise wieder zurück im Kasten. Welchen Rückhalt sie ihrer Mannschaft ist zeigt sich kurz nach Anpfiff: Da rollt ein feiner Angriff der Nord-Hamburgerinnen aufs Altonaer Tor zu, gekrönt von einem fulminanten Schuss aus zweiter Reihe. Eigentlich unhaltbar. Ella aber bekommt die Hand hoch und lenkt das Ding über die Latte. Puh. Trainer und Elternanhang pusten durch.
Dann Handspiel Scala, Freistoß für Altona aus etwa 20 Meter Entfernung. Wir ziehen an dieser Stelle schnell die internationale Freistoß-Umrechnungstabelle „D-Deerns in Ronaldo“ zu Rate: 20 D-Deerns-Freistoßmeter entsprechen demnach etwa einem Christiano-Ronaldo-Freistoß aus 38,5 Metern Entfernung. Dies nur zur Einordnung dessen, was Emilia in der 15. Spielminute vollbringt: Einen wunderschön gezirkelten Freistoß, bei dem der Ball wie eine junge Schwalbe über die Scala-Mauer segelt und sich unhaltbar oben unters Lattenkreuz senkt. 1:0 für Altona. Emilia, zurück aus einem einjährigen USA-Trainingslager (die Eltern nannten es „Familien-Sabbatical“), hat offenbar ein paar nette Tricks von ihrem Verein in Brooklyn, New York mitgebracht!
Aber kurz darauf wieder ein guter Angriff der Scala-Mädels. Deren Stürmerin läuft allein auf Ella im Tor zu, das muss ein Treffer sein, es geht gar nicht anders, bitte nicht, Hilfe, alle Altona-Anhänger am Spielfeldrand sehen vor ihren inneren Augen das bisherige Fußballfan-Leben Revue passieren… Doch Ella hält. Läuft raus, sucht die Konfrontation im Sturm, verkürzt den Winkel, wirft sich auf den Ball, hat die Kugel in den Armen. Das gibt einen Motivationsschub im Altonaer Angriff. Louise dribbelt sich durch, netzt ein, 2:0. Überhaupt präsentiert sich die 1.D in der ersten Halbzeit äußerst angriffslustig. Mila, Louise und Emilia zaubern vorne, unterstützt vom agilen Mittelfeld mit Maj, Luna und Ella J.. Doppelpässe, Ablagen, Torschüsse – das macht Spaß. Dann bekommt Luna einen Scala-Knaller gegen den Kopf, muss raus, Kühlpack auf die Stirn. Und auch die Abwehr um Kapitänin Lina wehrt jeden Angriff der tapferen Scala-Mädels ab, Tale, Juli und Ana-Luisa halten immer genau dort den Fuß dazwischen, wo es nötig ist.
In der zweiten Halbzeit wird es dann spannend. Louise macht weiter viel Druck über links, wird aber mit der Zeit sichtbar etwas müde, die starke Phase aus der ersten Halbzeit fordert ihren Tribut. In der 45. Minute fast die Vorentscheidung, Mila hämmert ein starkes Pfund ans Lattenkreuz. Zwei Minuten später auf der anderen Seite: Flanke Scala aus dem Halbfeld, Kopfball einer Stürmerin, Ella hält! Doch wiederum zwei Minuten später der verdiente Anschlusstreffer zum 2:1. Scala lässt sich auch nicht vom eigenen Anhang irritieren, in dessen Reihen eine offenbar sehr motivierte Mutter direkt an der Seitenauslinie barfuß Yoga- oder Pilatesübungen zelebriert. Muss man auch erst einmal drauf kommen…
Noch zehn Minuten sind zu spielen, Altona wirft sich mit allem dazwischen, was geht. Vor allem Tale ackert wie ein Bagger am Trenknerweg beim Ausheben von wunderschönen Wasserlandschaften. Am Ende reicht es, Schiedsrichter Nihat Civga pfeift nach 60 Minuten (zwei Mal 30 Minuten dauert ein D-Spiel) ab. Scala, das ansonsten auf Rasen spielt, ist letztlich knapp, aber nicht unverdient besiegt.
Und was sagt der Gegner aus dem Norden? Auf deren Homepage ist ebenfalls ein schöner Spielbericht zu finden, aus dem wir hier gerne zitieren (und der deutlich macht, dass Grand eben doch grandios sein kann, zumindest aus der Perspektive Altonas): „Der wenig kniefreundliche Grandplatz mit fiesen kleinen Steinchen flößte den Mädchen spürbar Respekt ein. Auf dem harten Belag, der Bälle anders springen und vor allem schneller laufen ließ, kam SCALA nicht zu seinem gewohnten Kombinationsspiel, die zweikampfstarken Gastgeberinnen störten zudem frühzeitig den Aufbau. Alles in allem eine vermeidbare Niederlage, was aber die couragierte Leistung der Gastgeberinnen nicht schmälern soll, die nach zwei knappen Niederlagen gegen die Spitzenteams von HSV und ETV Kickbees nun den ersten Dreier bejubeln durften.“ Wer das komplett nachlesen möchte: http://scala-maedchen.de/2018/09/09/d1-verliert-ungluecklich-in-altona/
Und zum guten Schluss – unnützes Wissen zum Angeben:
Scala ist nicht nur der größte Sportverein in Hamburgs Norden, ca. 25 Kilometer südlich der Alsterquelle. Es gibt ziemlich viele Scalas, wobei der Autor sich nicht sicher ist, ob Scalas die korrekte Mehrzahl von Scala ist, man möge im Zweifel bitte einen Deutsch- oder Lateinlehrer seines Vertrauens hinzuziehen. Jedenfalls gibt es in Mailand in Italien das Teatro alla Scala, eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt. Auch ein sehr schönes Jazzalbum des amerikanischen Pianisten Keith Jarrett heißt „La Scala“ und wurde, natürlich, in der Mailänder Scala aufgenommen. Übrigens war Jarrett 1995 der erste Jazzmusiker, der in der 197-jährigen Geschichte des Opernhauses ein Jazz-Solokonzert auf der Bühne spielen durfte. Ansonsten singen dort dicke Frauen und bärtige Männer vor bunt bemalten Wänden auf Italienisch von Liebe und Verzweiflung. Scala ist des weiteren: eine Programmiersprache, ein Programmkino in Lüneburg (derzeit laufen: „Fünf Freunde und das Tal der Dinosaurier“ und „Mr. Gay Syria“), ein Schönheitssalon in Leiferde, ein italienisches Restaurant in Hannover, ein Tanzlokal in Bad Salzuflen sowie ein belgischer Frauen-Chor, der Hardrock-Songs singt. Und natürlich, um mit Fußball zu enden, der berühmte italienische (!) Fußballtrainer Nevio Scala, der in den neunziger Jahren mal kurz Borussia Dortmund trainierte als Nachfolger von Champions-League-Sieger Ottmar Hitzfeld.
Und jetzt: Finito, wie man in Hamburgs Norden sagt.